Wassersportler aus Naturschutzgebiet verbannt

Zwischen Ingelheim und Bingen gilt ab sofort ein allgemeines Befahrensverbot

Westliche (untere) Einfahrt in das Naturschutzgebiet "Fulder Aue - Ilmen Aue". Auch das Betreten des Längsleitwerks ist verboten. Links des Leitwerks darf gefahren, gebadet und gelärmt werden, rechts drohen drakonische Strafen.
Westliche (untere) Einfahrt in das Naturschutzgebiet "Fulder Aue - Ilmen Aue". Auch das Betreten des Längsleitwerks ist verboten. Links des Leitwerks darf gefahren, gebadet und gelärmt werden, rechts drohen drakonische Strafen.

Gegenüber von Geisenheim, im Stillwasserbereich hinter dem Leitwerk zwischen Ilmenaue und Fulderaue, trifft man im Sommer viele Wassersportler an. Hier herrscht nur minimale Strömung und man ist geschützt vor dem Wellenschlag der Berufsschifffahrt. Die Freizeitkapitäne gehen dort gerne vor Anker, um die Landschaft und die Ruhe zu genießen. Auch SUP-Paddler zieht es in das Naturschutzgebiet. Hier liegt zudem das Trainingsrevier vieler Paddel- und Rudervereine. Doch mit all dem soll nun Schluss sein.

Kalt erwischt wurden die Wassersportler und Erholungssuchenden mitten in der Ferienzeit von der Sperrung der Stillwasserflächen im Naturschutzgebiet "Fulder Aue - Ilmen Aue". Ab sofort sind auf den Wasserflächen zwischen Freiweinheim und Gaulsheim auch in den Sommermonaten jegliche Wassersportaktivitäten verboten. Das Verbot gilt nicht nur für motorisierte Sportboote, sondern auch für SUP-Paddler sowie Kajakfahrer und Ruderer, die diese Gewässer zu Trainingszwecken nutzen. Naturschutzverbände bemühen sich seit Jahren um eine generelle ganzjährige Sperrung, ausdrücklich untersagt war das Befahren bislang lediglich in den Wintermonaten.

Das Verbot gilt in der Zeit vom 1. April bis 14. Oktober. Das Betretungs- und Befahrensverbot betrifft die linksrheinischen Stillwasserflächen zwischen Stromkilometer 520,5 bis 525,3, die Leitwerke zwischen der Fulderaue und der Ilmenaue sowie das linke Rheinufer. Bisher galt in diesem Bereich nur ein Befahrensverbot zwischen dem 15. Oktober bis zum 31. März. Somit sind diese Wasserflächen, Uferbereiche und Sandbänke nun ganzjährig gesperrt.

Mit Verweis auf die Eilbedürftigkeit und das öffentliche Interesse wurde der sofortige Vollzug des Verbots angeordnet.

In der Begründung der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd (Obere Naturschutzbehörde) von Rheinland-Pfalz mit Sitz in Neustadt an der Weinstraße heißt es, dass das Befahren dieser Wasserflächen zu einer "Entwertung der Lebensraumfunktion und damit zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Schutzzwecks der Naturschutzgebietsverordnung" kommen kann. "Örtliche Naturschutzvereinigungen und ehrenamtliche Ornithologen" hätten einen kontinuierlichen Anstieg der Wasserfahrzeuge in diesem Bereich festgestellt. Es habe sich gezeigt, "dass hier nicht mit der Vernunft oder Einsicht der Bootsfahrer gerechnet werden kann".

Wie die Wasserschutzpolizei berichtet, kommt es tatsächlich zu Verstößen gegen die seit 1995 geltende Naturschutzgebietsverordnung durch Wassersportler, wie beispielsweise das Anlanden mit Booten oder das Betreten von Sandbänken oder Leitwerken an einzelnen Stellen des Naturschutzgebiets. Nach Ansicht der Vereine handelt es sich hierbei allerdings um einzelne schwarze Schafe. Die Mehrzahl der Wassersportler halte sich an die Vorschriften. Man bemühe sich zudem, andere Wassersportler auf die geltenden Verbote und Regeln hinzuweisen, heißt es aus den Vereinen.

Die Allgemeinverfügung soll übergangsweise bis zur Änderung der Naturschutzgebietsbefahrensverordnung (NSGBefV) gelten. Das Bundesverkehrsministerium habe in Aussicht gestellt, so die Begründung, "bei der nächsten Änderung der NSGBefV ein ganzjähriges Befahrungsverbot für das Naturschutzgebiet 'Fulder Aue – Ilmen Aue' zu berücksichtigen". Diesbezügliche Anfragen an das Ministerium blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

An Land wurden bereits entsprechende Hinweisschilder aufgestellt. Wasserseitig fehlen solche Schilder noch. Begründet wird die Maßnahme mit dem besonderen Wert des Naturschutzgebiets und dem Schutz der Brut- und Rastgebiete seltener Vogelarten, die durch das Befahren und Anlanden von Wasserfahrzeugen gestört und vertrieben würden. Unklar ist derzeit, wie das Verbot kontrolliert und durchgesetzt werden soll. Bei Zuwiderhandlung drohen Geldbußen von bis zu 50.000 Euro.

Vereine wollen sich wehren

Die betroffenen Vereine zeigen sich entsetzt von dem Verbot. Schwer nachvollziehbar sei es, dass Wassersportler und Erholungssuchende aus einem der letzten zugänglichen Stillwasserbereiche in der Region verbannt würden. Man fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt und übergangen.

Nicht nur das Verbot selbst sorgt bei Wassersportlern diesseits und jenseits des Rheins für Kopfschütteln. Unverständnis herrscht auch darüber, dass die Behörde einen sofortigen Vollzug der Allgemeinverfügung angeordnet hat und die Betroffenen im Vorfeld nicht angehört wurden. Den Vereinen bleiben somit nur vier Wochen, um Klage gegen das Verbot einzureichen. Gerade in der Urlaubszeit kein leichtes Unterfangen. Der sofortige Vollzug bedeutet außerdem, dass die Einreichung einer Klage keine aufschiebende Wirkung hätte. Das Verbot bleibt also vorerst bestehen.

In verschiedenen Vereinen werden derzeit Klagen gegen diese Verordnung vorbereitet und sollen fristgerecht eingereicht werden. Mit ins Boot geholt werden sollen auch der Landessportbund Hessen (LSBH) und der Hessischer Landesverband Motorbootsport (HELM). Die Vereine wollen bei einem Runden Tisch nun das weitere gemeinsame Vorgehen abstimmen.

Rudervereine vor dem Aus

Die Sperrung der Stillgewässer in den Sommermonaten hat für Rudervereine auf beiden Seiten des Rheins gravierende Auswirkungen auf den Trainingsbetrieb und könnte für diese Vereine sogar das Aus bedeuten. Die filigranen Regattaboote sind für das Training auf dem Rhein nicht geeignet und sind auf Stillwasserflächen angewiesen. Betroffen hiervon sind die linksrheinischen Ruder- und Wassersportvereine sowie die Rheingauer Vereine in Geisenheim, Winkel, Oestrich, Eltville und Walluf. In einem Verein spielt man mit dem Gedanken, ein Trainingsboot zu verkaufen, um die Kosten für eine Klage gegen die Allgemeinverfügung zu decken.

Ausweicheffekte befürchtet

Durch die Sperrung, so die Befürchtung in den Vereinen, könnten die Wassersportler in andere Bereiche ausweichen, wie zum Beispiel in die Mariannenaue. Eine höhere Frequentierung könnte den Behörden einen Grund liefern, auch dort weitere Einschränkungen vorzunehmen oder ebenfalls Sperrungen anzuordnen. Somit könnten weitere Bereiche für den Wassersport und die Naherholung verloren gehen.

Für Wassersportler
wird es eng

Das Naturschutzgebiet "Fulder Aue - Ilmen Aue" gehört zu den letzten Stillgewässern zwischen Wiesbaden und Rüdesheim, das von Wassersportlern bislang noch angefahren werden durfte. Fast alle anderen Flächen und Rheininseln dürfen nicht betreten oder befahren werden. Auch die Budenheimer und Mombacher Wassersportvereine im Naturschutzgebiet Haderaue-Königsklinger Aue sehen sich seit geraumer Zeit Bestrebungen durch Naturschutzverbände ausgesetzt, ihre Anlagen zu verkleinern oder ganz zu entfernen.

Dem Naturschutz verpflichtet

Die Freizeitkapitäne und Wassersportler selbst sehen sich dem Natur- und Landschaftsschutz verpflichtet. Viele Vereine lassen sich regelmäßig mit der Blauen Flagge zertifizieren. Dieses Gütesiegel der Stiftung für Umwelterziehung wird jährlich an Strände an Küsten, Binnengewässer und Marinas vergeben, die in der vorangegangenen Saison hohe Standards hinsichtlich Umweltbildung und Umweltmanagement eingehalten haben. Die Vereine verweisen zudem auf ihren Beitrag zur Umwelterziehung.

Für viele Wassersportler unverständlich ist auch der Umstand, dass auf der nördlichen (dem Fahrwasser zugewandten Seite) des Leitwerks weiterhin selbst mit lärmenden Speedbooten und Jet-Skiern gefahren werden darf, während nur einige Meter weiter selbst das Paddeln streng bestraft wird.

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