Interview "Fortschritte in allen Bereichen"

Landrat Sandro Zehner zieht Zwischenbilanz nach einem Jahr im Amt / Probleme bei Migration und Cannabisgesetz

Sandro Zehner (l.) ist zu Gast in der Rheingau-Echo-Lounge. Er spricht über sein erstes Jahr als Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises und welche Herausforderungen er und sein Team bisher bewältigt haben.

Sandro Zehner ist bereits seit einem Jahr Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises. Nun zieht er ein Zwischenfazit seiner bisherigen Amtszeit. Zehner und sein Team in der Verwaltung hätten bereits viele Fortschritte vollzogen und Veränderungen angestoßen. Allerdings stehen dem 45-Jährigen noch viele Herausforderungen und Probleme gegenüber, die es zu lösen gilt.

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Seit dem 5. Juli 2023 ist Sandro Zehner Landrat des Rheingau-Taunus-Kreises (RTK). Ein guter Zeitpunkt, um nach einem Jahr eine Zwischenbilanz seiner Amtszeit zu ziehen. Für diese ist der 45-Jährige in die Rheingau-Echo-Lounge gekommen und hat sich den Fragen des Chefredakteurs Michael Gamisch gestellt. Die direkte Wahl in das Amt ohne den Umweg einer Stichwahl habe eine große Euphorie ausgelöst. "Aus dem Wahlsieg ist eine Euphorie des Tuns und des Gestaltens geworden", sagt Zehner. Der Landrat gibt aber auch zu, dass er und sein Team in der Kreisverwaltung vor großen Herausforderungen stehen und diese bewältigen müssen. Das größte Problem dabei: Die massive finanzielle Schieflage des Kreises. "Diese Ausgangssituation erfordert es, kreativ und pfiffig an Herausforderungen heranzugehen", erklärt der Landrat. Ein Beispiel hierfür sei die Herangehensweise an den Katastrophenschutz im RTK. "Beim letzten Kreistag haben wir einstimmig den Grundsatzbeschluss zum neuen Gefahrenabwehr-Campus in Kemel getroffen", sagt Zehner. Hier habe die neue Kreisverwaltung die bisherigen Pläne für eine Anlage im Bad Schwalbacher Industriegebiet 'Ober der Hardt' aus neuen Gesichtspunkten betrachtet. Die Analyse habe ergeben, dass das ursprüngliche Konzept sowohl ökonomisch als auch logistisch nicht umsetzbar gewesen wäre. Doch nicht nur im Bereich Katastrophenschutz könne der Landrat seit seiner Amtsübernahme Fortschritte verbuchen. "Auch die Punkte Schule, Versorgung oder interkommunale Zusammenarbeit haben wir in der Verwaltung in den Fokus genommen und verbessert oder sind dabei, sie zu verbessern", erläutert der ehemalige Bürgermeister von Taunusstein.

Keine gemeinsame
Identität notwendig

Eine stabile strukturelle Grundlage des Kreises solle am Ende jeder Anwohnerin und jedem Anwohner zugutekommen. Zehner sagt, er sehe in den Anforderungen der Menschen in den beiden Kreisgebieten kaum Unterschiede. "Während der Rheingau eher von Weinbau, Tourismus und Gastronomie geprägt ist, haben wir im Untertaunus einen Fokus auf die klassische Industrie." Dennoch wünschen sich die Bürgerinnen und Bürger in allen Gebieten, dass "die normalen Dinge" funktionieren und sie "gute Lebensbedingungen" vorfinden. Zehner stimmt aber auch der These zu, dass die Regionen sowie die Menschen noch nicht zusammengewachsen seien. Die beiden Kreisteile hätten jeweils eher eine engere Verbindung zur Landeshauptstadt Wiesbaden als zueinander. "Mit neuen Buslinien versuchen wir eine Brücke zwischen dem Rheingau und dem Untertaunus zu schaffen", erklärt Zehner. Ablehnend steht der Landrat der Aussage gegenüber, dass der RTK eine einheitliche Identität brauche. Jeder könne sein Leben in seinem Ort gestalten, wie er oder sie das möchte, und trotzdem ein Teil des Kreises sein. Auf organisatorischer Ebene seien der Kreis und seine Verwaltung allerdings eine Einheit. "Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Bereichen läuft hervorragend. Da ist zum Beispiel die Abfallwirtschaft und die Feuerwehr zu nennen. Die großen Herausforderungen der Zukunft können wir nur zusammen überwinden", ist sich Zehner sicher.

Deshalb laute auch das Motto des Landrats und seiner Verwaltung "Wir für euch". Hierzu zähle auch, dass der Kreis sowie seine Dienste bequem erreichbar seien. "Die Bürger sollen nicht immer nach Bad Schwalbach fahren müssen, um bürokratische Dinge zu erledigen", äußert sich der Landrat. "Hier haben wir ein Projekt beim Führerscheintausch angestoßen. Wir haben die Vorlaufzeit auf eine Woche reduziert." Auch könne der Antrag zum Tausch in Zukunft digital gestellt werden. Lediglich ein Besuch der Verwaltung, um sein Passbild abzugeben, sei hier noch erforderlich. "Ich denke aber, dass dies für die Bürger noch zumutbar ist", sagt Zehner mit einem Lächeln.

Doch nicht jede Herausforderung ist aus dem Kreis heraus erwachsen. Ein gravierendes Problem sind die hohen Zahlen an Flüchtlingen und der enorme Migrationsstrom, stellt der Landrat dar. Aktuell seien die Zuläufe niedrig. Dies sei aber nicht unüblich für den Sommer. "Der Herbst wird aber wieder hart", warnt Zehner. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen 1.000 neue Plätze geschaffen werden. Doch der 45-Jährige gibt zu: "Der Haushalt gibt nicht mehr Plätze her. Wenn 1.500 Flüchtlinge kommen, haben wir ein handfestes Problem." Darüber hinaus müsse der Landrat sich Polster im Haushalt freihalten. Er malt das Szenario an die Wand, dass die neu aufkommende Schweinepest einen hohen Schaden bei den Bauern im Kreisgebiet verursachen könnte. "Für diesen Schaden müssten wir dann aufkommen, wenn wir eine allgemeine Verfügung erlassen, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen. Auch deshalb müssen die Migrationsströme vom Bund und der EU begrenzt werden", meint Zehner.

Einen weiteren Bärendienst habe der Bund den Kommunen mit der Legalisierung von Cannabis erwiesen. Zehner sagt, er sehe hier nur Nachteile auf kommunaler Ebene. "Eigentlich gilt die Regel: Wer bestellt, der bezahlt auch. Erneut hat sich der Bund nicht daran gehalten." Es ergebe Sinn, dass die lokalen Polizeibehörden die Kontrolle übernehmen. Doch dem Landrat fehle es an einem Ausgleich für die getane Arbeit an die Kommunen durch den Bund. Auch zähle für Zehner das Argument nicht, dass die Entgelte aus den Ordnungswidrigkeiten für Verstöße gegen das Cannabisgesetz eine angemessene Entlohnung darstellen. Er sagt abschließend: "Ich gehe immer davon aus, dass sich der Bürger regelkonform verhält. Deshalb müssten wir uns ja auf die Ausnahmen verlassen, um die Kosten zu decken."

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