„Alles Roger!“

Unser Leser Martin Rupps mit einem Nachruf auf den Weinstand am Rhein, den er aber eher nicht vermisst. Der Weinstand auf dem Isola-della-Scala-Platz in Budenheim am Rhein ist Geschichte, genauso wie die einstige „Bedürfnisanstalt“ ganz in der Nähe. Ältere Budenheimerinnen und Budenheimer wissen noch von ihr. Der Weinstand hatte ein viel kürzeres Leben als das öffentliche Klo. Warum?

„Uns wurden viele Steine in den Weg gelegt“, heißt es im letzten Post auf der Instagram-Seite des Budenheimer Weinstandes. Der letzte Betreiber kündigt an, sich wieder um eine Öffnung zu bemühen. Tatsächlich hätte es den Budenheimer Weinstand an keinem Tag seiner ausgehauchten Existenz geben dürfen. Er war immer illegal. Aber der Reihe nach.

Der Betreiber des Weinstandes kündigte zum Jahresende eine Silvesterparty mutmaßlich mit Feuerwerk direkt am Rhein an. Auch über dem Weinstand ist Himmel, in den Raketen fliegen können. Gleich drei Gründe sprachen genau unter dem Himmel des Isola-della-Scala-Platzes dagegen.

Erstens: Silvester fiel letztes Jahr auf einen Dienstag. Der Betreiber des Weinstandes besaß aber nur eine vorläufige gastrechtliche Genehmigung durch die Gemeindeverwaltung Budenheim zwischen Donnerstag und Sonntag.

Zweitens: Die vorläufige Genehmigung sah eine Schließzeit an allen Wochentagen um 22 Uhr vor. Zwar ticken die Uhren in der selbständigen Gemeinde Budenheim häufig anders, aber zum Drehen an der „großen“ Uhr braucht Bürgermeister Stephan Hinz eine zweite Amtszeit.

Drittens: Der Weinstand hatte zwar eine vorläufige gastrechtliche Genehmigung bis zum 31. Dezember, aber an null Tagen eine baurechtliche. Die Weinstand-Gäste labten sich auf einem Grundstück der Bundesrepublik Deutschland, genauer gesagt der Bundeswehr. Dort befindet sich eine Rampe, mit der Truppen im sogenannten Ernstfall eine Brücke über den Rhein schlagen. Da stünde eine Weinstand-Bude mit schäbigen Tischen und viel Zigarettenrauch nur im Weg.

Es kommt noch besser. Schlimmer? Illegaler! Der Weinstand auf dem Isola-della-Scala-Platz verfügte über eine vorläufige gastrechtliche Genehmigung, die Mitte September 2024 in Kraft trat. Blöd nur, dass der Weinstand bereits zwei Monate vorher, Mitte Juli, in Betrieb gegangen war – irgendwann an allen Tagen der Woche und gern über 22 Uhr hinaus!

Ein über viele Wochen illegal betriebene Gastwirtschaft im Herzen des schönen Budenheims am Rhein – nur so erklärlich, dass Bürgermeister Stephan Hinz und die mit dem Thema betrauten Mitarbeitenden der Gemeindeverwaltung zwischen Mitte Juli und Mitte September Urlaub machten. Und den zentralen Isola-della-Scala-Platz zu keiner Zeit betraten.

Engel singen, dass Bürgermeister Stephan Hinz während der illegalsten aller illegalen Phasen des Budenheimer Weinstands tatsächlich Urlaub machte. Natürlich keine zwei Monate, nur wenige Tage oder Wochen. Mit seiner Rückkehr in das Rathaus fällt zeitlich eine mehrtägige Schließung des Budenheimer Weinstands, den es gar nicht geben durfte, zusammen.

Mitte September öffnete der Weinstand wieder, ausgestattet mit einer vorläufigen gaststättenrechtlichen Genehmigung durch die Gemeindeverwaltung Budenheim am Rhein. Ein Schreibfehler des Weinstand-Betreibers erweist, dass zwischen dem Stellen und der Genehmigung des Antrags gerade einmal eine Nacht lag. Die Budenheimer Gemeindeverwaltung machte ihrem Ruf als Turbo-Verwaltung mal wieder alle Ehre!

Noch nicht genug der Merkwürdigkeiten. Mitte September erteilt die Gemeindeverwaltung Budenheim am Rhein dem Weinstand eine vorläufige gastrechtliche Genehmigung mit der Auflage, einen Toilettenwagen aufzustellen. Ein solcher Wagen ward niemals gesehen. Später wird dem Betreiber zugebilligt, seine Gäste auf die Toiletten eines nahen Kiosks zu schicken. Das hat der Betreiber schon von Anfang an getan. Zur Überraschung des Kiosk-Betreibers. Er hatte im Mietvertrag mit der Gemeindeverwaltung einen offenen Zugang für Wanderer und Radfahrer zu seinen Toiletten erlaubt. Außerdem für Kinder und ihre Eltern des benachbarten Spielplatzes. Niemals für einen weiteren gastronomischen Betrieb. Hierfür war seine Grube volumenmäßig nicht ausgelegt – und quoll an einem Samstagabend über. Endgültig stank es am Budenheimer Rheinstrand ganz wörtlich zum Himmel.

Und politisch? „Es liegen alle Genehmigungen vor“, ließ sich Budenheims Bürgermeister Stephan Hinz im Gespräch mit einer Journalistin vernehmen. Was wohl umgangssprachlich heißen sollte: „Alles Roger!“ Die Mitglieder des Gemeinderats von Budenheim gaben sich bei dem Thema wortkarg. Eine Anfrage einer Ratsfraktion wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt. „Wozu die Wahrheit im Kaffeesatz suchen, da sie doch so angenehm im Wein untergebracht ist.“ (André Bien)

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